Gärtnerplatztheater: “Die lustigen Weiber von Windsor” – 12.5.2024

Die Krause des Meisters

Dem Gärtnerplatztheater gelingt mit Nicolais Spieloper ein spritziges Opernvergnügen

Game over für die deutsche Spieloper? Ganz so ernst ist es vielleicht noch nicht, doch steht das Genre schon seit längerer Zeit auf der Liste der bedrohten Arten des Musiktheaters. Aufführungszahlen und Wertschätzung des Oeuvres von Lortzing, Nicolai, Cornelius, Flotow und Konsorten halten sich mittlerweile in recht engen Grenzen, sogar in einstigen Hochburgen wie dem Gärtnerplatztheater oder der Wiener Volksoper sind die Maestri nur noch seltene Gäste; die letzte Inszenierung der Lustigen Weiber am Gärtnerplatz ist immerhin sechzehn Jahre her. Die genrebedingte Niedlichkeit und das biedermeiernde Ambiente der Handlungen, die eher flachen und klischeebehafteten Charaktere und die zumeist nicht gerade gehaltvolle Musik mögen nachvollziehbare Gründe sein. Auch Die lustigen Weiber sind gewiss kein Meisterwerk und inhaltlich, textlich und musikalisch irgendwie aus der Zeit gefallen; zumindest in dieser Produktion allerdings auf eine sehr charmante und unterhaltsame Art und Weise.

Der Meister wacht (Foto: Marie-Laure Briane)

Die Grande Dame der Opernregie Brigitte Fassbaender hat das Stück szenisch gut durchgelüftet und ausgeleuchtet. Die strapazierfähige Gebrauchslyrik der Dialoge hat sie rigoros gekürzt und dezent modernisiert und dabei noch den einen oder anderen Insiderwitz, bzw. Anspielung untergebracht, etwa wenn der Gastwirt Falstaff nicht eine Flasche Wein, sondern einen aus dem Rosenkavalier entliehenen Hippocras mit Ingwer serviert… Dietrich von Grebmer hat die farbenfrohen, ironisiert-historisch angehauchten Kostüme wie auch ein luftiges, variables Bühnenbild entworfen, in dem die berühmte Halskrause Shakespeares in diversen Teilausschnitten, Verfremdungen, Blick- und Neigungswinkeln das zentrale Element darstellt, eine humorvolle Hommage, ergänzt durch vignettenförmige Großporträts des englischen Dichterfürsten, des Komponisten und seines Librettisten Salomon Hermann Ritter von Mosenthal; doch, der hieß wirklich so! Im Schlußbild beherrscht dann der ganz große Shakespeare-Kopf als Verkörperung des Mondes die Szenerie, effektvoll ins Bild gesetzt auch durch die Lichtregie von Kai Luczak. Die Regie besticht über die gesamte Spieldauer mit Tempo, Witz und exzellentem Timing, die szenischen Pointen sitzen, ein spritziges, mit leichter Hand und großer Souveranität inszeniertes Theatervergnügen. Vor allem, weil Fassbaender nicht versucht hat, mehr in das Stück hineinzulesen, als de facto drin ist.

Prost, Sir John! – Levente Páll als Falstaff (Foto: Marie-Laure Briane)

Auch musikalisch beweist das Gärtnerplatztheater an diesem Abend auf allen Positionen seine Kernkompetenz; eine famose Ensembleleistung ohne einen einzigen Schwachpunkt, dafür aber mit etlichen Glanzlichtern. Diskutieren liesse sich vielleicht über die doch unkonventionelle Besetzung des Falstaff mit Levente Páll: der ist nämlich kein Ritter von der traurigen Gestalt oder ein schmerbäuchiger und stimmlich am Verfallsdatum kratzender Herr Kammersänger, sondern ganz im Gegenteil ein attraktiver Kerl in den besten Jahren, der auch vokal eindrucksvoll aus dem Vollen schöpft. Was ihm vielleicht an genuiner Schwärze des Timbres fehlen mag, macht er mit viel Gesangskultur und sattem Timbre locker wett. Da hat das Gärtnerplatztheater einen herausragenden und sehr vielseitigen Sänger im Ensemble! Und mit Jennifer O’Loughlin einen strahlenden Sopran mit echten Primadonnen-Qualitäten. Als gewitzte Frau Fluth brilliert sie mit einem wahren Koloraturfeuerwerk, einem sinnlich funkelnden Timbre und mitreissender Bühnenpräsenz. Als ihre sister in crime Frau Reich steht ihr Sophie Rennert mit ihrem schlank geführten samtigen Mezzo in nichts nach. Dritte im Bunde der großbritannischen Powerfrauen ist Andreja Zidaric, die in der Partie der Anna ihre wohl beste Rolle bisher gefunden hat.

Windsorer Wutbürger in Aktion (Foto: Marie-Laure Briane)

Den Eifersüchtler und großbürgerlichen Stinkstiefel Herr Fluth gibt Mateja Meić mit wuchtigem Bariton und urkomischer Pseudo-Eleganz. Im Gegensatz zu manchen früheren Auftritten zeigt er sich hier erfreulich differenziert, lässt piani und ein schönes messa di voce hören. Sein Pendant Herr Reich ist vom Komponisten deutlich stiefmütterlicher behandelt worden, Timos Sirlantzis macht mit sonorem Spielbass das Beste daraus. Guyla Rab verströmt als Fenton in der Romanze „Horch, die Lerche singt im Hain“ wie in den Ensembles viel tenoralen Schmelz, nur in den Registerübergängen verengt sich die Stimme hin und wieder etwas. Die beiden Möchtegern-Nebenbuhler um Annas Gunst verkörpern Juan Carlos Falcón (Junker Spärlich) und Lukas Enoch Lemcke (Doktor Cajus) liebenswert vertrottelt, ohne in den kompletten Knallchargenmodus zu verfallen. Auch der Chor des Gärtnerplatztheaters in der Einstudierung von Pietro Numico zeigt sich auf der Höhe.

Das gilt auch für das Orchester, das sich im Findungsprozess mit seinem neuen Chef Rubén Dubrovsky hörbar auf einem sehr guten Weg befindet. Die noch betont romantisch raunende Ouvertüre bestach mit vollmundigem Streicher- und Hörnerklang und gut austarierten Tempi und auch im Folgenden waren Dirigent und Orchester den Sängern ein inspirierender Partner.

Deutsche Spieloper? Wenn man sie so macht – Bitte gerne!

Gehabt Euch also wohl und hört noch was Schönes,

Euer Fabius

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